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Headless Systems - Was ist das?

Veröffentlicht: Montag, 15. March 2021 12:00

Headless Systems bedeutet in der deutschen Sprache so viel wie kopflose Systeme bzw. Geräte. Die Konfiguration des Systems oder Geräts erfolgt aus der Ferne, ohne den Einsatz einer Konfigurationsmöglichkeit am Gerät selbst.

 

Stand der Technik

Eine intuitive Bedienung und Steuerung von Geräten werden uns heute aus der SmartphoneWelt vorgelebt. Zu keiner App wurde jemals ein Handbuch gedruckt. Die Benutzer werden über Assistenten zu ihren Grundeinstellungen geführt und sind auch später in der Lage, die erweiterten Einstellungen im Menü intuitiv vorzunehmen. Neben der Funktionalität ist also eine einfache Bedienung eine wichtige Komponente.

Heutige Steuerungen und elektronische Komponenten haben sich in der Funktionalität massiv weiterentwickelt und beinhalten mehr Software als das Space Shuttle in den 70er Jahren. Dies ist auf die steigenden Anforderungen an solche Geräte und auf den Leistungszuwachs zurückzuführen. Sie sollen flexibel einsetzbar sein und zahlreiche Anpassungsmöglichkeiten bieten, was sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich zutrifft.

Die Menüführungen in dieser Geräteklasse haben sich jedoch kaum bis gar nicht verändert. Dies ist ein großer Widerspruch, vor allem, da die User Experience heutzutage eine wichtige Rolle spielt.

Schaut man sich heute die verschiedenen Geräteklassen an, stellt man fest, dass viele Anbieter noch bei altbewährten Menüführungen bleiben.

 

Quelle: Pixabay

 

Hierzu ein Beispiel aus der Veranstaltungstechnik:

Ein Scheinwerfer wandert von Veranstaltungsort zu Veranstaltungsort und hat dabei immer andere Aufgaben zu erfüllen. Ein Techniker hängt das Gerät in die gewünschte Position und macht anschließend die Strom- und Datenverkabelung. Danach wird das Gerät für seinen Einsatz konfiguriert. Typische Einstellungen sind DMX Adresse, DMX Mode, Helligkeitskennlinien und -limitierungen. Das ist ein sich immer wiederholender und zeitraubender Prozess, gerade bei Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Scheinwerfern. Die meisten Geräte verfügen dabei nur über die klassische 4-Button-Bedienung (Up/Down/Enter/Back).  

Beispielablauf für eine Wertänderung:

  • Menüpunkt auswählen (mind. 1 Klick), 
  • Veränderungen aktivieren (1 Klick), 
  • Wert verändern (mind. 1 Klick), 
  • Speichern (1 Klick), 
  • Optional eine Ebene zurück (1 Klick). 

 

Dies führt addiert zu mindestens vier, eher fünf Interaktionen. Bei weiteren drei Änderungen der Konfiguration kommen somit im besten Fall 16 Interaktionen, realistisch betrachtet aber eher 20-30 Interaktionen (Klicks) auf einen Techniker je Scheinwerfer zu.

Ein weiteres Beispiel aus der Industrie: Fertigungsmaschinen und auch deren Werkzeugaufsätze werden durch Industrie 4.0 zunehmend mit Intelligenz ausgestattet. Egal, ob es sich um Steuerungen, intelligente Sensoren oder Aktuatorik handelt. Ein kleiner Roboterarm und seine Werkzeuge bieten beispielsweise kaum Platz für große Displays und ausgefallene Menüsteuerungen. Zudem werden diese auch in Fertigungsprozessen eingesetzt, die extremen Bedingungen wie Hitze, Wasserdruck, Verschmutzung etc. ausgesetzt sind. Aus diesem Grund kommt hier anstelle von Displays auch noch die altbewährte 4-Button-Steuerung zum Einsatz. Die Konfiguration ist oftmals zum Schutz der Steuerung schwer zugänglich verbaut und setzt darüber hinaus ein Anhalten des Fertigungsprozesses voraus.

 

Quelle: Pixabay

 

Nachteile / Hemmnisse

Dies sind nur zwei Beispiele, die jedoch für eine allgemeine Verbreitung dieser Menüführung in sehr vielen Produkten stehen.

Aus Kostengründen wird häufig an der Qualität der Displays gespart, was sich in der Displaygröße und Auflösung widerspiegelt. Teilweise wird sogar ein 4er-Block aus Siebensegmentanzeigen verbaut, wie bei den digitalen Weckern in den 80er Jahren. Daraus resultiert eine nur sehr begrenzte DarstellungsformBei einer Vielzahl von einstellbaren Parametern entstehen in der Folge sehr aufwändige, verschachtelte und schwer zu verstehende Menüführungen. Zusätzlich erfordern die Taster je nach IP-Klasse besondere Anforderungen an die Konstruktion, weshalb die Anzahl dieser auf das Nötigste reduziert wird. Ist bereits eine Touch-Steuerung vorhanden, ist diese i.d.R. sehr rudimentär implementiert.

 

Durch Headless Systems können Anbieter ihre Geräte kostengünstig nachrüsten 

Bei Headless Systems wird die erweiterte Bedienung auf ein mobiles Endgerät als App (z.B. Smartphone) ausgelagert. Sie verzichten auf grafische Ausgaben, reduzieren sich auf das Wesentliche und sind somit kompakt gebaut. Es genügt das bestehende Gerät mit einer Platine in der Größe einer 1-Euro-Münze nachzurüsten.

 

Quelle: Ingenieurbüro Embedded

 

Innovation / Neuerung

Warum also nicht das Beste aus zwei Welten miteinander verbinden und die bereits erwähnte intuitive Bedienung über Smartphones mit der Kompaktheit von Embedded Systems nutzen?

Heutige Smartphones sind mit sehr hochwertigen Touchdisplays ausgestattet. Für die App-Entwicklung stehen ausgereifte und für jedermann zugängliche Entwicklungsplattformen zur Verfügung. Durch die Fülle an grafischen Bedienelementen kann für jeden zu verändernden Wert eine entsprechende intuitive Darstellung gewählt werden.

Mit Bluetooth LE steht eine kostengünstige und weit verbreitete Vernetzungs-Technologie zur Verfügung, welche sich in die kleinsten Geräte integrieren lässt. 

Durch den Einsatz von Headless Systems findet gleichzeitig eine Trennung zwischen der Anwendungslogik und der Benutzerführung statt. Das Embedded Device (Gerät) wird zur Datenbank, die über eine vom Gerät separierte Bedienoberfläche auf dem Smartphone konfiguriert wird. 

Im Vergleich zum obigen Beispiel mit dem Scheinwerfer ergeben sich nun folgende Interaktionen:

Für vergleichbare vier Änderungen werden somit statt 20-30 Interaktionen nur noch vier Interaktionen benötigt. Werden gleiche Änderungen für Gruppen in Vorlagen zusammengefasst, kann dies sogar auf nur eine Interaktion reduziert werden.

Um auf die obenstehenden Beispiele zurückzukommen: Durch den Einsatz von Headless Systems müssen Scheinwerfer bei derselben Konfiguration nicht mehr einzeln, sondern können gemeinsam zum gleichen Zeitpunkt konfiguriert werden. Diese Automatisierung von Vorgängen stellt somit eine erhebliche Erleichterung gegenüber der alten Methode dar.

Die Fertigungsmaschinen und deren Werkzeuge können durch Headless Systems in jeglicher Art von Fertigungsprozessen zum Einsatz kommen. Widrige Fertigungsumstände sind unter dem Aspekt der Menüführung kein Problem mehr, da die Fertigungsmaschinen und ihre Werkzeuge nun kompakt und als geschlossene Einheit gebaut werden können. Auch sind keine Down Times der Fertigung für Konfigurationen mehr nötig, da diese bequem über das Smartphone parallel angestoßen werden können. 

 

Vorteile / Fazit:

 

Wer wir sind:

Holger Fürstenberger ist Geschäftsführer vom Ingenieurbüro Embedded. Das Ingenieurbüro beschäftigt sich mit der Entwicklung von Embedded Systems-Komponenten für die Bereiche Industrie, Automotive, Medizin sowie Hausautomatisierung.

Autor: Holger Fürstenberger, Ingenieurbüro Embedded // Mitglied HubWerk01

Genutzte Bildquelle: Pixabay

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